Dritte Antwort
Für E. M.

Warum vergessen? Sag, wie Du mich sahst
und mich erschlossest aus erkannten Zeichen.
Bedenk es immer: ohne mir zu gleichen,
war mir das Bild doch innig angemaßt.

Vielleicht auch hilft es mir, daß ich gewahr,
wie Du Dich rührst. Denn Deine Verse sind
Herzlandschaft, ganz gestickt aus Deinem Haar.
Nun aber wünsch ich in Dein Haar den Wind.

Lauf wider ihn, daß er Dich mir umreißt
mit allem was Du warst und bist und meinst:
daß Du mir, Heide,  als Gestalt erscheinst,
Du junger Körper wider meinen Geist.


Du "Kamm auf meinen Wellen"...: Kämme schäumen
nur wo das Meer im Wüten stürmt den Damm;
und dann, je wilder sich die Wogen bäumen,
je weißer glänzt, je schöner schäumt der Kamm.

So willst Du mich erregter? Oder denkst Du
an jene Kämme, die ein sanftres Meer
am Strande kräuselt? Unbekannte, schenkst Du
Dich als der Milderungen Wiederkehr?

Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Briefwechsel in Gedichten zwischen Rainer Maria Rilke und Erika Mitterer, dritte Antwort, Ragaz, 1. Juli 1924)