Es ist nicht, daß ich mich von ihnen unterscheiden will,
wenn ich in besseren, von Anfang an meinigen Kleidern herumgehe und
darauf halte, irgendwo zu wohnen. Ich bin nicht so weit. Ich habe
nicht das Herz zu ihrem Leben. Wenn mir der Arm einginge, ich glaube,
ich versteckte ihn. Sie aber (ich weiß nicht, wer sie sonst
war), sie erschien jeden Tag vor den Terrassen der
Caféhäuser, und obwohl es sehr schwer war für sie,
den Mantel abzutun und sich aus dem unklaren Zeug und Unterzeug
herauszuziehen, sie scheute der Mühe nicht und tat ab und zog aus so
lange, daß mans kaum mehr erwarten konnte. Und dann stand sie
vor uns, bescheiden, mit ihrem dürren, verkümmerten
Stück, und man sah, daß es rar war.
Nein, es ist nicht, daß ich mich von ihnen unterscheiden will;
aber ich überhübe mich, wollte ich ihnen gleich sein. Ich
bin es nicht. Ich hätte weder ihre Stärke noch ihr
Maß. Ich ernähre mich, und so bin ich von Mahlzeit zu
Mahlzeit, völlig geheimnislos; sie aber erhalten sich fast wie
Ewige. Sie stehen an ihren täglichen Ecken, auch im November, und
schreien nicht vor Winter. Der Nebel kommt und macht sie undeutlich
und ungewiß: sie sind gleichwohl. Ich war verreist, ich war
krank, vieles ist mir vergangen: sie aber sind nicht gestorben.
(Ich weiß ja nicht einmal, wie es möglich ist, daß
die Schulkinder aufstehn in den Kammern voll grauriechender
Kälte; wer sie bestärkt, die überstürzten
Skelettchen, daß sie hinauslaufen in die erwachsene Stadt, in
die trübe Neige der Nacht, in den ewigen Schultag, immer noch
klein, immer voll Vorgefühl, immer verspätet. Ich habe keine
Vorstellung von der Menge Beistand, die fortwährend verbraucht
wird.)
Diese Stadt ist voll von solchen, die langsam zu ihnen
hinabgleiten. Die meisten sträuben sich erst; aber dann giebt es
diese verblichenen, alternden Mädchen, die sich fortwährend
ohne Widerstand hinüberlassen, starke, im Innersten ungebrauchte,
die nie geliebt worden sind.
Vielleicht meinst du, mein Gott, daß ich alles lassen soll und
sie lieben. Oder warum wird es mir so schwer, ihnen nicht nachzugehen,
wenn sie mich überholen? Warum erfind ich auf einmal die
süßesten, nächtlichsten Worte, und meine Stimme steht
sanft in mir zwischen Kehle und Herz. Warum stell ich mir vor, wie ich
sie unsäglich vorsichtig an meinen Atem halten würde, diese
Puppen, mit denen das Leben gespielt hat, ihnen Frühling um
Frühling für nichts
und wieder nichts die Arme
auseinanderschlagend bis sie locker wurden in den Schultern. Sie sind
nie sehr hoch von einer Hoffnung gefallen, so sind sie nicht
zerbrochen; aber abgeschlagen sind sie und schon dem Leben zu
schlecht. Nur verlorene Katzen kommen abends zu ihnen in die Kammer
und zerkratzen sie heimlich und schlafen auf ihnen. Manchmal folge
ich einer zwei Gassen weit. Sie gehen an den Häusern hin,
fortwährend kommen Menschen, die sie verdecken, sie schwinden
hinter ihnen weiter wie nichts.
Und doch, ich weiß, wenn einer nun versuchte, sie liebzuhaben,
so wären sie schwer an ihm wie Zuweitgegangene, die
aufhören zu gehn. Ich glaube, nur Jesus ertrüge sie, der
noch das Auferstehen in allen Gliedern hat; aber ihm liegt nichts an
ihnen. Nur die Liebenden verführen ihn, nicht die, die warten mit
einem kleinen Talent zur Geliebten wie mit einer kalten Lampe.
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