Achte Antwort
(da der Brief schon
geschlossen war)
Lied
für die junge Freundin
Übersetz mir den Rosenduft
in etwas, was uns noch mehr
gehört....: daß in der Luft
zwischen uns ein ihm Gleiches wär,
selig wie er!
Selig wie er? Ist er denn selig auch?
Ach, oft so schwer....
Dieser Sommerhauch,
wo kommt er her?
Kommt er wirklich vom Rosenbeet,
oder ist er Erinnerung?
Macht er alt oder jung,
wenn er vergeht?
Kennt ich doch Deiner Hände Geruch,
oder den Duft von dem Umschlagtuch,
das Dir gut steht.
Wüßt ich die Düfte von Deinem Haar
und ob es weich und wunderbar
(wenn Du liefst) von Dir weht.
Rosen duften so allgemein, -
duften wie das Dunkelsein,
in dem man keinen erkennt.
Sieh, wie uns heute der Rosenduft,
dieses viele Gefühl in der Luft:
wie es uns trennt!
Aus: Die Gedichte
1922 bis 1926 (Briefwechsel in Gedichten zwischen Rainer Maria Rilke und Erika Mitterer, achte
Antwort, Muzot, 7. August
1924)