Die Nonne


Die blonde Schwester trat in ihre Zelle
und schmiegte sich an sie: "Um meine Ruh
ist es geschehn. Ich wurde wie die Welle
und muß den fremden Meeren zu.
Und du bist klar. Du Heilige, du Helle,
mach mich wie du.
Gieb mir den Frieden, den du heimlich hast
und ohne Angst, so wie ihn keine hat, -
gieb mir die Rast;
daß ich ein Fels bin, wenn die Flut mich faßt,
und nicht ein Blatt."

Und  leise neigte sich die Nonnenhafte -
nicht tief:
nur wie die Blüte horcht vom hohen Schafte,
wenn Wind sie rief.
Sie hatte längst die Gesten den Geländen
entlernt - die leise gebenden -
und fügte einen Kranz aus ihren Händen
und schenkte lächelnd ihn der Bebenden.

Und nach dem Schweigen waren sie sich nah;
so daß sie sich nicht dunkel fragen mußten
und sich nur klar das Letzte sagen mußten
und das geschah:
"Sprich mir von Christo, dessen Braut du bist,
der dich erkor.
Und seine Liebe, deren Laut du bist,
tu auf mein Ohr.
Laß mit mich wohnen
in seiner Trauer, deren Trost du bist!
Du Leiserlöster. weo erlost du bist
aus Millionen."

Da küßte kühler sie die Priesterin
und sprach:
"Ich bin ja selbst an Gottes Anbeginn,
und dunkel ist mir meiner Sehnsucht Sinn -
Weit ist der Weg, und keiner weiß wohin,
doch sag ich dir, weil ich die Schwester bin:
Komm nach.
Mit einemmale wird dir Alles weit,
du langst dir nach.
Nur eine Weile geht noch aus der Zeit
die Angst dir nach.
Doch wenn du glaubst, so kann sie weit nicht mit
und sie wird lahm
und bleibt zuletzt.
Und wie es kam?
Das, was ich einmal litt,
lobpreis` ich jetzt.
Und Nächte giebt es, da die blasse Scham
entflieht,
da schenkt sich Jesus wie ein Lied
mir hin,
und meine Seele sieht,
daß ich ein Wunder bin,
das ihm geschieht."

Die Schwestern waren Brust an Brust gepreßt
und beide jung im Glühn des gleichen Scheines:

"Dann bin ich mit dem großen Leben Eines
und fühle tief: das ist das Hochzeitsfest,
und alle Krüge wurden Krüge Weines."

Da neigten die Mädchen sich Leib an Leib:
es war, als ob derselbe Sturm sie streifte
und sie umwob
und dann die Blonde hob
in einen Sommer hoch, darin sie reifte
- zum Weib.

Denn sie küßte die Schwester mit fremdem Kuß
und lächelte fremd: "Vergieb, - ich muß. -
Weißt du noch von dem blonden Gespielen?
Und wir warfen nach weißen Zielen
schlanke Speere im alten Park:
Der ist jetzt stark."

Und da hielt die Nonne die Schwester nicht -
sah der Schwester nicht ins Gesicht,
ließ sie ganz langsam los,
wurde groß...

Die Blonde erschrak; denn kein Segen kam,
und bange bat sie: "So bist du mir gram?"
Die Heilige träumte: Ich hab dich lieb.

Und hielt der Schwester die Hände her,
leer, -
als flehte sie: gieb.
 
Aus: Christus Elf Visionen (Zoppot, Juli 1898)