Für
Erika
Dich, Heide, formen?... Und
nach welchem Bild,
als dem, das Du in wagenden Entwürfen
begannst, zu Deiner Seligkeit gewillt?
Dich formt die Wahl, die aus Dir überwallt.
Und das der Gott gewährt, das Leidendürfen,
entschließt Dir schön die zögernde Gestalt.
Und womit willst Du Glück und Leid ermessen,
als mit dem Herzen, das Dir übergeht?
Freilich, die Quelle, die zu stark stürzt, dreht
im Becher um, der sie schon fast besessen.
Doch langsam wird er diesem Übermaße
zum vollen Maß, wenn man ihn richtig hält.
Sieh, wie sie glänzt, des Überflusses Straße,
die über Deine Hände fällt...
Dein Laut klingt auf wie ein Schritt
zwischen Kommen und Schwinden -.
Aber Dein junger Duft geht mit
und weht weiter zu Dritt
mit dem Düften der Wiesen und Linden.
Mir sagt mein Gehör, daß Du steigst -,
ach, was bin ich nicht oben,
wenn Du Raum atmest und schweigst
und Dich den offenen Fernen zeigst,
Deine leichte Ankunft zu loben.
Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Briefwechsel in Gedichten zwischen Rainer
Maria Rilke und Erika Mitterer, aus
der fünften Antwort, Ragaz, 12. Juli 1924)