Für
Erika
I
Ich halts in ruhigen Händen und ich wäge
das schwere Gegen und das schwere Für...
Zuweilen waren Deines Herzens Schläge
fast wie ein Schlag an meiner Tür.
Nun aber scheint mir Deine Nähe stiller,
und mein Bewegtsein halt ich leise an;
denn das tut not, daß jedes Herz den Triller
in seiner eignen Nacht vollenden kann.
In seiner hohen Nacht, in seiner stillen,
die einsam war, obwohl die Nacht des Bunds.
So wird es klar: wir sind dem Stern zu Willen,
der in den beiden Nächten herrschte -, nicht uns.
2
Keine Stürme sollst Du wecken, keine!
Niemand soll erschrecken, daß sich Deine
Gegenwart ins Gegenteil verkehrt;
wo uns Freude wurde, sei Gefallen,
denen, die Dich fühlen, und in Allen
sei die Fähigkeit zu Dir vermehrt.
Jener Gott, der Deine Fühlung schickte
mir zu Herzen, meinte nicht Konflikte
in Dein offenes Gemüt zu streun.
Schien ich müd vom einsam Untertauchen,
mein ich doch nun wieder, nichts zu brauchen
als mich mit der Freuenden zu freun.
Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Briefwechsel in Gedichten zwischen Rainer
Maria Rilke und Erika Mitterer, aus
der neunten Antwort, Muzot,
13./ 14. August 1924)