Siebenter Brief
von Erika Mitterer
Einmal nachts
Warum schützt Du mich nicht
vor diesem Grauen?
Ich wage mein Gesicht
nicht anzuschauen.
Ein Schritt, fremd und bekannt -
wen kenn ich hier? -
Du bist in anderm Land.
Ich bin bei Dir.
Warum ist so viel andres in der Welt,
da mich dies Eine nur gebunden
hält?
Warum kommt es heran an mich aufs
Neue,
da ich mich ewig doch an Dir nur
freue?!
Oh manchmal rede ich von Dir, ich
Kind,
den Ahnungslosen, die so sicher sind.
Und lächle dann und seh es
wieder ein:
Daß Du mich merktest, muß
ein Wunder sein.
Aus: Die Gedichte
1922 bis 1926 (Briefwechsel in Gedichten zwischen Rainer Maria Rilke und Erika Mitterer,
siebenter Brief,
Salzerbad, Juli 1924)