Vierter Brief
von Erika Mitterer
O bilde mich wie einen Klumpen Ton,
vergiß, daß ich schon je
Gestalt besaß,
ball mich zusammen, daß kein
Merkmal von
dem Gestern spricht, das gerne ich
vergaß.
Ich will Dich schauen, wie die Blumen
frühe
die Welt besehn: erstaunt und doch
verwandt;
und dennoch Feuer sein! Denn sieh:
ich glühe,
und glühe rot Dich an, geliebtes
Land.
Doch willst Du, daß ich sei, so
wisse: ganz
bin ich nur eins, und dies in seltnen
Stunden:
die Sich-Verlierende, die sich im
Glanz
von fremden Sonnen strahlender
erfunden.
Die Sich-Verschweigende, die gern
Erkannte,
die Selige, die sich zu früh
ergab;
die beinah Wankende, der die verwandte
trostreiche Stimme Berg zugleich und
Stab.
Aus: Die Gedichte
1922 bis 1926 (Briefwechsel in Gedichten zwischen Rainer Maria Rilke und Erika Mitterer,
vierter Brief, 4. Juli 1924)